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Verhaltensbedingte Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsschutzgesetz ist nur anwendbar, wenn nach § 1 Abs. 1 KSchG ein Arbeitsverhältnis ohne auch nur die geringste Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat und das Unternehmen nach § 23 Abs. 1 KSchG mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt.

I. Überblick

Arbeitgeber haben häufig die Schwierigkeit, nicht zu wissen, ob das Verhalten des Arbeitnehmers für eine ordnungsgemäße oder gar außerordentliche wirksame Kündigung genügt. Arbeitnehmer hingegen fühlen sich bei einer Kündigung oft vollkommen vor den Kopf gestoßen und hadern, ob sie sich mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzen.  Im Folgenden gebe ich Ihnen anerkannte Schemata und Hinweise an die Hand, die Ihnen helfen werden, zu prüfen, ob Ihre Kündigung auf verhaltensbedingten Gründen basiert. Außerdem erfahren Sie als Arbeitgeber, ob es sinnvoll ist, eine Kündigungsfrist einzuhalten und als Arbeitnehmer, ob sich eine Kündigungsschutzklage lohnt.

II. Verhaltensbedingte Kündigung mit ordentlicher Kündigungsfrist

Für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung mit einer ordentlichen Kündigungsfrist müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein. (1) Der Arbeitnehmer hat schuldhaft eine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, (2) Es ist auch in Zukunft zu erwarten, dass sich die Pflichtverletzung wiederholt und (3) Die Beendigungsinteressen des Arbeitgebers überwiegen den Bestandsschutzinteressen des Arbeitnehmers.

    1. Der Arbeitnehmer hat schuldhaft eine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt.

    Welche Pflichten ein Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis zu erfüllen hat, bestimmt sich rahmenmäßig nach dem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen. Oftmals werden diese durch arbeitgeberseitiges Weisungsrecht in Inhalt, Ort und Zeit konkretisiert. Die Weisung muss nach § 106 GewO in Verbindung mit § 315 BGB der Billigkeit entsprechen (siehe dazu Weisungsrecht v. Änderungskündigung: Wann ist welche Maßnahme zulässig?).

    Hauptpflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis sind zum Beispiel

    • die ordnungsgemäße Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung
    • die Meldung von Arbeitsunfähigkeitszeiten

    Nebenpflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis sind zum Beispiel

    • Unterlassen ehrverletzender/diskriminierender Äußerungen
    • Einhaltung von Wettbewerbsverboten
    • Schutz von Betriebsgeheimnissen
    • Abwendung von drohenden Schäden

    Der Arbeitnehmer verletzt in schuldhafter Weise diese Pflichten, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig gemäß § 276 Abs. 1 BGB handelt. Fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Auch schuldlos handelende Arbeitnehmer können den Tatbestand einer Pflichtverletzung begründen. Wenn zum Beispiel Arbeitnehmer stark alkoholisiert arbeitsvertragswidrig handeln, kann Ihnen dieses Verhalten trotz des Zustandes der Schuldunfähigkeit zugerechnet werden.

    Für Arbeitgeber ist es ratsam, das arbeitsvertragswidrige Verhalten sorgfältig zu dokumentieren und gegebenenfalls eine Abmahnung auszusprechen. Diese sollte das spezifische Verhalten des Arbeitnehmers detailliert darstellen und klarstellen, dass es sich hierbei um eine Pflichtverletzung handelt. Darüber hinaus sollte die Abmahnung eine ausdrückliche Warnung enthalten, dass fortgesetztes pflichtwidriges Verhalten die Kündigung zur Folge haben kann.

    Arbeitnehmern ist zu empfehlen, zu einer Abmachung Stellung zu beziehen, insbesondere, wenn die Vorwürfe unbegründet sind. In einem solchen Fall kann eine klare und sachliche Erklärung zur Entkräftung der Anschuldigungen beitragen. Sollte der Arbeitnehmer hingegen einen Fehler eingestehen wollen, ist es ebenfalls sinnvoll, dies in der Stellungnahme zu tun und sich zu entschuldigen. Eine solche Vorgehensweise kann dazu beitragen, Missverständnisse auszuräumen und die Beziehung zum Arbeitgeber zu verbessern. In beiden Fällen ist eine wohlüberlegte und professionelle Stellungnahme ratsam.

    2. Es ist in Zukunft zu erwarten, dass sich die Pflichtverletzung wiederholen wird (= sog. Prognoseprinzip)

    Eine weitere Voraussetzung für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung ist, dass auch in Zukunft mit einer Wiederholung der Pflichtverletzung zu rechnen ist. Eine fundierte Prognose kann nur dann erstellt werden, wenn das pflichtwidrige Verhalten bereits einmal festgestellt und dokumentiert wurde. Für die Wirksamkeit dieser Prognose ist es erforderlich, dass zuvor vom Arbeitgeber eine Abmahnung ausgesprochen wurde, um dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Verhaltensänderung zu geben.

    3. Abwägung zwischen Bestandschutzinteresse des Arbeitnehmers und Beendigungsinteresse des Arbeitgebers

    Die letzte Voraussetzung für eine wirksame Kündigung ist die Interessenabwägung zwischen dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers und dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers. Diese Abwägung ist stets einzelfallabhängig.

    Im Folgenden sind die einige relevante Interessenpunkte der Parteien dargestellt, die in die Abwägung einzubeziehen sind.

    Für das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers sind unter anderem folgende Punkte von Bedeutung:

    • lange Betriebszugehörigkeit
    • hohes Alter
    • geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt
    • kein wiederholtes Fehlverhalten

    Für das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers sind unter anderem folgende Punkte entscheidend:

    • Arbeitnehmer mit geringer Betriebszugehörigkeit
    • Störung des Betriebsfriedens durch Fehlverhalten des Arbeitnehmers
    • Mehrfaches Fehlverhalten

    Wenn das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt, ist die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung wirksam.  

    Der Arbeitgeber trägt für die Voraussetzungen 1 bis 3 die Beweislast.

    III. Verhaltensbedingte Kündigung ohne Kündigungsfrist

    Die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung (= fristlose Kündigung) erfolgt nicht nach der Stufenprüfung. In diesem Fall wird das Prüfungsschema des § 626 BGB zu Grunde gelegt. Für eine wirksame außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung muss (1) ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 2 BGB vorliegen. (2) Die Kündigung muss das letzte Mittel sein, (3) bei einer Interessenabwägung überwiegt das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers sowie (4) ist die Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB zu beachten.

    1. Wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB

    Eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist nur in Ausnahmefällen zulässig, da in diesem Fall keine Kündigungsfrist eingehalten werden muss. Der Arbeitgeber kann somit die Kündigung mit sofortiger Wirkung aussprechen. Daher sind die Voraussetzungen für eine außerordentlich fristlose Kündigung sehr hoch.

    Für den wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB müssen Arbeitnehmer schuldhaft und gravierend eine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzen. Die Pflichtverletzung muss daher nach objektiver Betrachtung so schwerwiegend sein, dass sie eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.

    In der Praxis besteht die Herausforderung für Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers objektiv als schwerwiegend einzuordnen. Situationen wie Diebstahl am Arbeitsplatz, sexuelle Belästigung von Kollegen, erhebliche Arbeitsverweigerung etc. können eine sofortige Kündigung rechtfertigen.

    2. Außerordentliche Kündigung als letztes Mittel

    Die außerordentliche Kündigung muss das letzte Mittel sein.

    Es ist Arbeitgebern zu empfehlen vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung die ordentliche Kündigung, die Änderungskündigung, die Versetzung oder die Abmahnung in Betracht zu ziehen. Sofern ein Gericht feststellt, dass ein milderes Mittel ebenso wirksam gewesen wäre, ist die außerordentliche Kündigung unwirksam.

    3. Abwägung zwischen Bestandschutzinteresse des Arbeitnehmers und Beendigungsinteresse des Arbeitgebers

    Für die Interessenabwägung gilt das oben Genannte (Ziff. II. Nr. 3).

    4. Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB ist zu beachten

    Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Das bedeutet, dass die außerordentliche Kündigung nur bis zu zwei Wochen nach Kenntnis des vollständigen Sachverhalts ausgesprochen werden kann.

    Sofern nur vermutet wird, dass ein pflichtwidriges Verhalten vorliegt, ist eine Verdachtskündigung auszusprechen.

    Arbeitgebern wird empfohlen, den Sachverhalt bezüglich einer außerordentlichen Kündigung umgehend aufzuklären. Bei Vorliegen eines rechtfertigenden Kündigungsgrundes sollte die Kündigung unverzüglich ausgesprochen werden.

    FAQ

    Erhalte ich bei einer verhaltensbedingten Kündigung Arbeitslosengeld?

    Bei einer verhaltensbedingten Kündigung droht dem Arbeitnehmer meist eine Sperrzeit von 12 Wochen beim Bezug von Arbeitslosengeld. Daher empfiehlt es sich Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung einzulegen.

    Kann man verhaltensbedingt gekündigt werden, ohne zuvor eine Abmahnung erhalten zu haben?

    Für eine wirksame ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist eine Abmahnung erforderlich. Diese stellt ein milderes Mittel zur Kündigung dar und ist damit erforderlich. Für eine außerordentliche Kündigung ist zwingend keine Abmahnung erforderlich.

    Was ist der Unterschied zwischen einer personenbedingten und verhaltensbedingten Kündigung?

    Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann der Arbeitnehmer sein Verhalten bewusst steuern („Ich kann, aber ich will nicht.“). Bei personenbedingten Gründen ist ein Verhalten vom Arbeitnehmer nicht steuerbar („Ich will, aber ich kann nicht.“)

    Muss der Kündigungsgrund in der Kündigungserklärung genannt werden?

    Der Kündigungsgrund muss nicht angegeben werden, allerdings auf Verlangen des Arbeitnehmers mitgeteilt werden.