In der rechtsberatenden Praxis kommt es immer mal wieder vor, dass die Rede von sog.
„überobligatorischem Einkommen“ ist. Dabei handelt es sich um einen Teil von Einkünften, die in die
Unterhaltsberechnung nicht einzustellen sind. Das bedeutet, sie bleiben anrechnungsfrei und
verbleiben mit anderen Worten zur freien Verfügung des Unterhaltsschuldners.
Hintergrund ist, dass es dem Unterhaltsschuldner grundsätzlich obliegt (d.h. er ist verpflichtet), durch
Erwerbstätigkeit ein Einkommen zu erzielen, um den Unterhalt, den er schuldet, finanzieren zu
können. Einkommen, welches der Unterhaltsschuldner jedoch erzielt, ohne dazu verpflichtet zu sein,
wird dann entweder gar nicht oder nur in einem beschränkten Umfang unterhaltsrechtlich
berücksichtigt. Abzuwägen ist dann, ob die vollständige Heranziehung des Einkommens, d.h. auch der
überobligatorische Teil, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstieße.
Umfang der Erwerbsobliegenheit
Grundsätzlich richtet sich der Umfang der Erwerbsobliegenheit nach der Art des
Unterhaltsverhältnisses und nach den Umständen des Einzelfalls. Beim Kindesunterhalt etwa trifft den
Unterhaltsschuldner grundsätzlich eine sog. gesteigerte Erwerbsobliegenheit. An sie werden die
höchsten Anforderungen gestellt. Diese drückt sich beispielsweise dadurch aus, dass der Selbstbehalt
des Unterhaltsschuldners niedriger ist, als bei anderen Unterhaltstatbeständen (z.B. beim
Trennungsunterhalt), außerdem wird von dem Unterhaltsschuldner verlangt, dass er sich intensiv, d.
h. unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten, um die Erlangung
einer hinreichend entlohnten, vollschichtigen Arbeitsstelle bemüht.
In allen anderen Fällen, also wenn keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit besteht, kann eine über eine
vollschichtige Tätigkeit – durch Überstunden oder Nebentätigkeit – hinausgehende Beschäftigung
überobligatorisch sein.
Im Falle von Kinderbetreuung oder Krankheit kommt auch eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit
in Betracht.
Umfang der Anrechnung von überobligatorischem Einkommen
Der Umfang der Anrechnung des überobligatorischen Einkommens ist aufgrund einer umfassenden
Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (BGH FamRZ 2013, 1558). Dabei kommt beim
Unterhalt für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder eine (zumindest teilweise) Anrechnung
eher in Betracht als beim Unterhalt für Ehegatten oder sonstige Verwandte.
Zur Deckung jedenfalls des Mindestunterhalts für minderjährige und privilegiert volljährige Kinder wird
auch überobligatorisches Einkommen regelmäßig voll einzusetzen sein.
Empfehlung
Da es sich bei der Frage nach Art und Umfang der Anrechnung von möglicherweise
überobligatorischem Einkommen stets um eine Einzelfallabwägung unter sorgfältiger Heranziehung
von der entsprechenden Rechtsprechung handelt, empfiehlt es sich ganz besonders bei dieser Frage,
auf eine anwaltliche Beratung zu setzen.
Hierzu beraten wir Sie gerne.