Nach der Trennung von Elternpaaren besteht häufig der Wunsch jedenfalls eines Elternteils, ein neues Leben zu beginnen. Nicht selten steht dann ein Umzug in ein anderes Bundesland oder jedenfalls viele hundert Kilometer weit weg vom früheren gemeinsamen Wohnort bevor. Es überrascht nicht, dass es für den verbleibenden Elternteil eine schmerzliche Vorstellung ist, eine solche Entfernung zum eigenen Kind ertragen zu müssen, welches man zuvor tagtäglich gesehen hat oder zumindest regelmäßige Umgänge stattgefunden haben.
Es steht schnell die Frage im Raum, ob der andere Elternteil überhaupt umziehen darf; was dies für seine Erziehungsfähigkeit bedeutet; ob der Umzug des Betreuungselternteils mit dem Kind irgendwie verhindert werden kann oder ob dem Betreuungselternteil nicht gleich das Sorgerecht entzogen werden kann.
Darf der andere Elternteil umziehen bei gemeinsamen Sorgerecht?
Elternteile dürfen sich gegenseitig den Umzug an einen anderen Wohnort nicht verbieten oder verwehren. Dies gilt auch bei gemeinsamer Ausübung des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder. Grund hierfür ist, dass jedem der Elternteile weiterhin die freie Wahl des eigenen Wohnorts, als verfassungsrechtlich aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition zusteht.
Müssen die Umzugspläne dem anderen Elternteil mitgeteilt werden?
Grundsätzlich hat der Umgangselternteil aufgrund der oben genannten Erwägungen aus Art. 2 Abs. 1 GG auch kein Recht darauf, vor dem geplanten Umzug, die Zustimmung hierzu zu verweigern. Streng genommen gibt es auch keine Rechtspflicht aus welcher der umzugswillige Elternteil seine Umzugspläne dem anderen Elternteil kommunizieren muss. In der Praxis wird es jedoch so sein, dass die nicht erfolgte Mitteilung von Umzugsplänen doch erhebliche Zweifel an der Bindungstoleranz und Erziehungsfähigkeit des umzugswilligen Elternteils aufkommen lassen kann (vgl. OLG Hamburg, 2 UF 81/22 – Beschluss vom 21.12.2022). Denn schließlich hat ein Umzug immer auch einen Einfluss auf das Kindeswohl, etwa auch weil Bindungsabbrüche zu dem anderen Elternteil oder Geschwister durch die erweiterte räumliche Distanz drohen. Zu betonen ist hier jedoch, dass allein auch der eigenmächtige Umzug eines Betreuungselternteils für sich genommen noch nicht dazu führen wird, dass dem Elternteil des Aufenthaltsbestimmungsrecht über das Kind entzogen wird. Es ist jedoch zu beachten, dass ein Umzug einen erheblichen Eingriff in das (gemeinsam ausgeübte) Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern darstellt und deswegen beiden Elternteile grundsätzlich auch Entscheidungsbefugnisse diesbezüglich zustehen.
Ob dem anderen Elternteil also die Umzugspläne kommuniziert werden sollten, hängt vom Einzelfall ab und kann nicht pauschal beantwortet werden. Regelhaft wird dies wohl der Fall sein. Vereinzelt gibt es aber auch Fälle – etwa bei erheblichen Gewalterfahrungen eines Elternteils durch den anderen Elternteil – in welchen eine solche Mitteilung nicht angezeigt wäre. Halten Sie hierzu unbedingt Rücksprache mit der Anwältin oder dem Anwalt Ihres Vertrauens.
Kann ich einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht stellen, um den Umzug des anderen Elternteils zu verhindern?
Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts können durch beide Elternteile grundsätzlich jederzeit bei dem zuständigen Familiengericht gestellt werden. Durch die Stellung des Antrags können die Umzugspläne des anderen Elternteils jedoch nicht verhindert werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der umzugswillige Elternteil seine Umzugspläne durchführt; sodann wird das erkennende Gericht prüfen, ob es dem Kindeswohl besser entspricht, wenn das Kind mit diesem Elternteil umzieht, oder ob es für das Kind vorzugswürdig ist, in der Betreuung des anderen Elternteils am bisherigen Wohnort zu verbleiben (BGH, B. v. 28.4.2010 – XII ZB 81/09).
Das Gericht wird hierbei die entscheidungserheblichen Faktoren gegeneinander abwägen und gegebenenfalls sogar ein Sachverständigengutachten einholen, um die Frage der Kindeswohldienlichkeit klären zu können. Maßgebende Kriterien sind etwa die Bindungen des Kindes und der mögliche Bindungsverlust, die Erziehungskontinuität und bei älteren Kindern auch der Kindeswille.
Ist ein Sorgerechtentzug gerechtfertigt, wenn ein Elternteil eigenmächtig ins Ausland umzieht oder einen Umzug ins Ausland plant?
Bei einem Umzug mit dem Kind ins Ausland, ohne den anderen Sorgeberechtigten zuvor um Erlaubnis gebeten zu haben, macht sich der umziehende Elternteil unter Umständen wegen Entziehung Minderjähriger nach § 235 Abs. 2 StGB strafbar. Wenn ein Elternteil plant ins Ausland zu verziehen, prüfen die erkennenden Gerichten in sorgerechtlichen Verfahren nach den zuvor genannten Maßstäben besonders intensiv, wie sich der Umzug auf das Kindeswohl auswirkt und ob eine Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den anderen Elternteil angezeigt ist.
Sofern ein Elternteil bereits ohne das Einverständnis des anderen Sorgeberechtigten einzuholen ins Ausland verzogen ist, so kann ein Verfahren nach dem sog. Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) angestrengt werden, um die Rückführung des Kindes zu beantragen.
Falls Sie Rechtsfragen zu diesem Themenkomplex haben, suchen Sie sich unbedingt anwaltliche Unterstützung.