Bei abhängig-beschäftigten Personen wird das unterhaltsrechtliche Einkommen – grob vereinfacht – anhand des Nettoeinkommens der letzten 3 Jahre berechnet.
Bei Selbstständigen und Freiberuflern ist dies anders – und in aller Regel komplizierter. Hier spielen bei der Berechnung nicht nur die Gewinne und Verluste, sondern auch steuerrechtliche, bilanz- bzw. handelsrechtliche Kenntnisse sowie ein fundiertes, familienrechtliches Wissen eine Rolle.
Grundsätzlich gilt: Ist der Unterhaltspflichtige selbstständig, freiberuflich oder gewerblich tätig, gibt es verschiedene Anknüpfungspunkte, um den Unterhaltsanspruch zu beziffern.
1. Berechnungsgrundlage
Maßgeblicher Zeitraum für die Unterhaltsberechnung sind in der Regel die letzten drei Geschäftsjahre. Unter Umständen, etwa wenn sich das Unternehmen des Unterhaltsschuldners noch in der Aufbauphase befindet, können auch mehr oder weniger Geschäftsjahre die Grundlage der Berechnung bilden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass auch die Ergebnisse des laufenden Geschäftsjahres in Form der BWA (sog. Betriebswirtschaftliche Auswertung) zur Einkommensermittlung herangezogen werden kann.
So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Einkommen Selbstständiger oder von Freiberuflern häufig starken Schwankungen unterliegt.
a. Anknüpfung an das zu versteuernde Einkommen
Aus Vereinfachungs- und Zweckmäßigkeitserwägungen kann bei der Einkommensermittlung Selbstständiger zunächst an die sich aus den steuerlichen Unterlagen ergebenden Gewinn- bzw. Überschusseinkünfte angeknüpft werden. Das steuerliche Einkommen ist als das Mindesteinkommen anzusehen. Dies kann jedoch nur als erster Anknüpfungspunkt der Berechnung betrachtet werden.
b. Anknüpfung an Privatentnahmen
Auch Privatentnahmen können bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens relevant sein. Ein Abstellen allein auf die Höhe von Privatentnahmen ist in der Regel jedoch unzweckmäßig. Die Höhe von Privatentnahmen sollte lediglich als Indiz für die Leistungsfähigkeit angesehen werden. Sie sind immer zusammen etwa mit den Gewinn- und Überschusseinkünften zu betrachten.
Werden Sachentnahmen oder andere vermögensmäßige Vorteile aus einem Betrieb (z.B. Produkte aus dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb) getätigt, so sind diese Vorteile gegebenenfalls zu schätzen und in die Einkommensermittlung einzustellen (Lindener, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Kap. 45, Rn. 31; BGH FamRZ 2005, 97).
Wichtig ist, dass die berücksichtigten Privatentnahmen tatsächlich auch dem privaten Verbrauch gedient haben. Wurden sie etwa dem Firmenvermögen lediglich entnommen, um bestehende Betriebsausgaben zu decken, können sich unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden.
Außerdem müssen die Privatentnahmen einer gewissen Regelmäßigkeit folgen, um unterhaltsrechtlich relevant zu sein. Sofern es sich nur um eine im Ausnahmefall getätigte Privatentnahme handelt, dürfte dies eher im Bereich des Zugewinnausgleichs Berücksichtigung finden.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass gegebenenfalls auch sog. Privateinlagen im unterhaltsrechtlich relevanten Zeitraum erfolgt sein können. Diese sind dann natürlich aus der Einkommensermittlung herauszurechnen.
c. Anknüpfung an die steuerliche Einkommensermittlung mit unterhaltsrechtlichen Korrekturen
Da nach Ansicht des BGH der nach steuerlichen Vorschriften ermittelte Gewinn in unterhaltsrechtlicher Hinsicht nur ein „Mindesteinkommen“ darstellt (BGH FamRZ 1982, 680), ergibt sich die Problematik, welche Positionen der steuerlichen Gewinnermittlung in unterhaltsrechtlicher Hinsicht zu korrigieren sind (Lindener, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Kap. 45, Rn. 31).
Denn zu beachten ist, dass im Rahmen der steuerrechtlichen Einkommensermittlung Betriebsausgaben erfasst werden. Private Aufwendungen werden nicht berücksichtigt. Andersherum können nicht alle steuerrechtlich erheblichen Positionen auch bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens berücksichtigt werden.
In Einzelfällen können Korrekturen in unterhaltsrechtlicher Hinsicht notwendig und geboten sein. Dies betrifft beispielsweise Abschreibungen, Bewirtungskosten oder Pkw-Kosten. Hier ist ein geschulter Blick geboten.
d. Anknüpfung an fiktive Einkünfte
Zuletzt ist zu beachten, dass bei einem Verstoß gegen unterhaltsrechtliche Obliegenheiten die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners auch auf ein fiktives, also ein tatsächlich gar nicht erzieltes Einkommen gestützt werden kann. Dies ist immer dann zulässig, wenn der Unterhaltsschuldner ihm mögliche und zumutbare Erwerbsmöglichkeiten nicht ausschöpft. Die Höhe der zurechenbaren Einkünfte ist stets individuell zu bestimmen. Sie richtet sich nach dem Einzelfall.
e. Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen und privaten Steuern
Vorsorgeaufwendungen des Selbstständigen sind bei der Einkommensermittlung einkommensmindernd zu berücksichtigen. Darunter fallen z.B. die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung und die Altersvorsorge.
Bei den Aufwendungen für die Altersvorsorge ist anerkannt, dass Selbstständige zwischen 24% – 25 % ihres Bruttoeinkommens für die Altersvorsorge verwenden dürfen. Diese Aufwendungen müssen jedoch tatsächlich getätigt werden, sie müssen also z.B. in einen entsprechenden Fonds oder in eine Lebensversicherung eingezahlt und dürfen auch nicht angetastet werden.
Private Steuern sind grundsätzlich aus den letzten 3 Kalenderjahren in der tatsächlich angefallenen Höhe zu berücksichtigen. Zu beachten ist dabei, dass die Steuerlast unter Umständen auch fiktiv zu ermitteln ist, z.B. wenn steuerrechtlich vorgenommene Abschreibungen unterhaltsrechtlich nicht relevant sind.
2. Auskunftserteilung
Bei der Auskunftserteilung ist nach der Rechtsprechung zu beachten, dass neben der Auskunft über das zu versteuernde Einkommen es dem Auskunftsgläubiger im Rahmen einer systematischen Auskunft möglich wird, das steuerrechtlich und unterhaltsrechtlich relevante Einkommen zu unterscheiden.
Zu diesem Zweck sind von dem Auskunftspflichtigen eine Vielzahl an Unterlagen vorzulegen, darunter Bilanzen mit Gewinn- und Verlustrechnungen für die letzten 3 Wirtschaftsjahre oder Einnahmen-/Überschussrechnung für die letzten 3 Wirtschaftsjahre, Einkommenssteuererklärungen nebst Anlagen für die letzten 3 Wirtschaftsjahre sowie Einkommensteuerbescheide (soweit vorhanden) ggfs. auch weitere Belege je nach Einzelfall, z.B. Kontobelege. Die Auskunftsverpflichtung eines Selbstständigen erstreckt sich jedoch nicht auf sämtliche Betriebseinnahmen und Aufwendungen (Betriebsausgaben), die erzielt wurden bzw. angefallen sind. Auskunft zu erteilen, ist über den im Auskunftszeitraum erzielten Gewinn – nicht aber über die zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle.