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Arbeiten während des Kündigungsschutzprozesses: Was Sie über den Annahmeverzugslohn wissen müssen

Kommt das Arbeitsgericht in einem Kündigungsschutzverfahren zu dem Schluss, dass die Kündigung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, wird die Frage nach der Vergütung des Arbeitnehmers für den Zeitraum ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens (sog. Annahmeverzugszeitraum) relevant. Es stellt sich damit die Frage, ob der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß § 615 S.1 BGB hat.

1. Was ist der Annahmeverzugslohn?

In der Regel gilt der arbeitsrechtliche Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Eine Ausnahme dieses Grundsatzes bildet der Annahmeverzugslohn gemäß § 615 S. 1 BGB, der es dem Arbeitnehmer ermöglicht, die vereinbarte Vergütung für nicht geleistete Arbeit zu verlangen, wenn sein Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. Besonders in Kündigungsschutzprozessen, in denen eine Kündigung ausgesprochen wurde und der Arbeitnehmer zur Arbeit bereit ist, der Arbeitgeber jedoch aufgrund der Kündigung keine Arbeit anbieten möchte, entsteht ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn gegenüber dem Arbeitgeber.

2. Gibt es Einschränkungen des Annahmeverzugslohns?

Dazu lohnt sich ein Blick in das Gesetz. Die inhaltsgleichen Regelungen in § 615 S.1 BGB und § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG begrenzen den Anspruch des Arbeitnehmers während des Annahmeverzugszeitraums. Danach muss sich der Arbeitnehmer den Wert dessen anrechnen lassen, was er gemäß § 11 KSchG

  • Nr. 1 durch die anderweitige Arbeit verdient hat
  • Nr. 2 hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen
  • Nr. 3 an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit aus der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder der Sozialhilfe für die Zwischenzeit gezahlt worden ist

§ 11 Nr. 1 und Nr. 3 KSchG hat der Gesetzgeber konkret formuliert, wobei § 11 Nr. 3 KSchG einen wertungsoffenen Begriff darstellt. Zur Konkretisierung des Begriffs der „böswilligen Unterlassung“ hat die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) maßgebliche Klarstellungen vorgenommen, die präzise Kriterien festlegen, unter welchen Umständen ein böswilliges Unterlassen des Arbeitnehmers anzunehmen ist. In der jüngsten Entscheidung des BAG, Urt. v. 7.2.2024 – 5 AZR 177/23 setzte sich der 5. Senat ausführlich mit dem Maßstab des böswilligen Unterlassens auseinander.

Auf dieser Grundlage beschäftigte sich das BAG mit der Frage, welche Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers während des Annahmeverzugs erforderlich sind, um den Annahmeverzugslohn geltend zu machen. Dabei stellt das BAG heraus, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist,

  • sich arbeitssuchend zu melden.
  • aktiv an der Mitarbeit zur Beendigung von Arbeitslosigkeit mitzuwirken.
  • geeigneten Stellenangeboten des Arbeitgebers nachzugehen und sich zu bewerben.

Das BAG stellt in diesem Zusammenhang auch klar, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, sich unermüdlich um zumutbare Arbeitsangebote zu kümmern. Es reicht aus, wenn er in angemessenem Umfang und mit der gebotenen Sorgfalt nach einer neuen Beschäftigung sucht. Das BAG weist zudem darauf hin, dass die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt bei der Beurteilung der Bewerbungsbemühungen berücksichtigt werden muss. Bei schwieriger Marktlage sind die Anforderungen nicht so hoch wie zu Zeiten, in denen Arbeitsplätze in großer Zahl verfügbar sind.

Von einem böswilligen Unterlassen gemäß § 11 Nr. 2 KSchG ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich der Arbeitnehmer in einer Weise verhält, die seine Anstellungschancen erheblich herabsenken. Das BAG, Urt. v. 7.2.2024 – 5 AZR 177/23 unterstreicht, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn der Arbeitnehmer dem potenziellen Arbeitgeber bereits vor dem Vorstellungsgespräch offenlegt, dass ein laufendes Gerichtsverfahren mit dem vorherigen Arbeitgeber besteht und er dringend die Absicht hat, dort weiterhin tätig zu sein. Damit hat der Arbeitnehmer eine Vorgehensweise angekündigt, die von Anfang an darauf abzielt, zu verhindern, dass seine Bewerbung überhaupt in die engere Wahl gezogen wird. Darüber hinaus zeigt dieses Verhalten, dass der Arbeitnehmer offensichtlich nicht bemüht ist, eine neue Beschäftigung anzustreben. In diesem Fall handelt es sich um böswilliges Unterlassen, weshalb § 11 Nr. 2 KSchG zur Anwendung kommt und der Anspruch auf Annahmeverzugslohn für einen bestimmten Zeitraum entfällt.

FAZIT

Im Kündigungsschutzprozess kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß § 615 S. 1 BGB geltend machen, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers trotz dessen Bereitschaft zur Arbeit nicht annimmt. Allerdings ist dieser Anspruch nicht uneingeschränkt durchsetzbar. Der Arbeitnehmer muss sich unter anderem das Einkommen anrechnen lassen, das er durch anderweitige Arbeit erzielt hat oder hätte erzielen können, wenn er sich nicht böswillig geweigert hätte, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Die jüngste Rechtsprechung des BAG, Urt. v. 7.2.2024 – 5 AZR 177/23 gibt dafür Orientierungspunkte an die Hand, wann ein böswilliges Unterlassen vorliegt, beispielsweise wenn der Arbeitnehmer eine Bewerbung bei einem potenziellen Arbeitgeber von vornherein sabotiert, indem er ein laufendes Gerichtsverfahren erwähnt und so seine Anstellungschancen erheblich mindert. Zudem ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich arbeitssuchend zu melden und in angemessenem Umfang Bewerbungsbemühungen zu unternehmen, wobei die aktuelle Marktlage zu berücksichtigen ist. In Fällen von böswilligem Unterlassen entfällt der Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß § 11 Nr. 2 KSchG.

Wie können Arbeitgeber das Risiko eines Annahmeverzugslohns vermeiden?

Indem Sie ihrem Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens eine Prozessbeschäftigung anbieten.

Wie wird der Annahmeverzugslohn berechnet?

Der Arbeitnehmer erhält die Vergütung, die er bekommen hätte, wenn er tatsächlich gearbeitet hätte (sog. Lohnausfallprinzip). Es werden die Zahlungen angerechnet, die der Arbeitnehmer von anderer Stelle (neuer Arbeitgeber, Sozialversicherungsträger) erhalten hat.

Wie lange haben Sie Zeit, um den Annahmeverzugslohn einzuklagen?

Grundsätzlich gilt die dreijährige Verjährungsfrist. Beachten Sie allerdings Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen oder anwendbaren Tarifverträgen.